Inselbad-Panther. Auf den Spuren des Künstlers Fritz Behn
Von Karla Schönebeck
Landsberg. Mehrere Möglichkeiten, ein Ergebnis: Geraten Wildkatzen mit Menschen in Berührung, ist es in der Regel mit ihrer Freiheit und Selbstbestimmung vorbei. Im übertragenen Sinn trifft das selbst für Kunstwerke zu, wie den als Bronzeplastik im Landsberger Inselbad verewigten „Panther“. Auf seine historischen Spuren hat sich eine junge Forschergruppe um Wolfgang Hauck gemacht.
Als jüngstes Ergebnis hatten die an dem Projekt beteiligten Schüler und Flüchtlinge Fritz Behn als Schöpfer der stadtbekannten Plastik ausgemacht. „Fritz wer?“ lautete ihre überraschte Frage, nachdem sie, was in all den Jahrzehnten wohl sonst niemandem eingefallen war, seinen eingravierten Namenszug auf dem Sockel der Plastik entdeckt hatten. Da selbst vermeintliche Experten in der Lechstadt zu diesem Künstler nichts zu sagen hatten, wurde Fritz Behn also gegoogelt. Die Verwunderung nahm, um es vorweg zu nehmen, kein Ende. Plötzlich tauchten Begriffe wie Nationalsozialismus und Diktatur auf, und das im Zusammenhang mit Kunst und Kultur. Katharina Grenzmann brachte es auf den Punkt: „Was hat das mit unserem Landsberger Panther zu tun?“
Wolfgang Hauck, der selbstverständlich vorrecherchiert hatte, wurde in seiner Ahnung bestätigt, dass man mit jungen Menschen Schritt für Schritt ein derartiges Thema angehen gehen muss: „Deshalb haben wir den Panther sozusagen von hinten, also von seinen natürlichsten Anfängen her, aufgezäumt“. Und die liegen bei Wildkatzen eben in Afrika. Fritz Behn, 1878 in Güstrow geboren, hatte einen großen Teil seines Lebens zwar in München verbracht. Das aber lernten die Jugendlichen ebenfalls recht schnell, immer wieder hatte er als Zivilisationsflüchtling die Weiten Afrikas gesucht. Behn blieb sich indes treu. Eine Anbiederung an die afrikanische Kunst oder an „Neger“, kam für ihn nie infrage. Für die Picassos dieser Welt hatte er nur Verachtung übrig.
Portrait Professor Fritz Behn
Fotograf: Unbekannt In:Vaterstädtische Blätter; Jg. 1910, Nr. 51, Ausgabe vom 11. Dezember 1910, Wikipedia
Bereits beim Besuch der ehemaligen Kunstgießerei A. Brandtstetter in München war der Name Fritz Behn am Rande gefallen. Dort nämlich hatte er auch den Landsberger Panther gießen lassen. Schwierig wurde es allerdings – wieder einmal – als es darum ging, mehr über den Künstler zu erfahren, etwa aus einem seiner Bücher, die er neben seinen Plastiken der Nachwelt hinterlassen hat. „Das kann man ja gar nicht lesen“, stöhnte Amelie Bader, nachdem sie das Fritz-Behn-Buch „Haizuru“ aus dem Jahr 1924 aufgeschlagen hatte. „Gotische Schrift“, erklärte ihr Wolfgang Hauck und machte sich gemeinsam mit den Jugendlichen daran, das Werk zu durchstöbern.
Als Vorlage für seine Plastiken diente Behn nie, wie bei anderen Künstlern üblich, ein Foto. „Der hat von den erlegten Tieren Gipsabgüsse direkt in der Serengeti gemacht und sie dann nach München gebracht“, fasste nach der Lektüre Zaker Alizade zusammen, um anschließend nachzuhaken: „War der Künstler oder Jäger?“
Naturabguß des Panthers aus der Serengeti
Quelle: Fritz Behn „Haizuru“ 1924. Originalunterschrift Fritz Behn: Naturabguß männlicher Leopard aus der Serengetisteppe.
Beides, und noch viel mehr. Wieder nämlich half der Zufall den jungen Forschern weiter. Der Zufall hieß Joachim Zeller. Beinahe zeitgleich mit dem Beginn des Panther-Projektes hat der Historiker eine Biografie über Fritz Behn veröffentlicht. Nachdem sich die Schüler und Jugendlichen über die Fragen verständigt hatten, wollte es ein weiterer Zufall, dass Wolfgang Hauck den Behn-Experten Zeller persönlich in Berlin traf.
Ohne Umschweife bestätigte ihm Zeller, dass der Wikipedia-Artikel, den auch die Landsberger Jugendlichen vor einigen Monaten gefunden hatten, „grottschenschlecht“ gewesen sei. „Gleich im ersten Satz“, erläuterte Zeller, „ist zu lesen: er war ein Nazi-Künstler“. Später sei der Artikel korrigiert worden und von einem Bildhauer die Rede gewesen, der seine Hauptschaffenszeit in der NS-Zeit hatte. „Ebenfalls dummes Zeug“, meinte Joachim Zeller und stellte richtig: „Behns Hauptschaffenszeit war in den Kolonien, vor und nach dem Ersten Weltkrieg“.
Auf Haucks Frage, wie es denn zu dieser Einschätzung über Behn als Nazi-Künstler gekommen sei, antwortete Zeller: „Es ist eine irre Geschichte. Vor ´33 (Anm.: vor der Machtergreifung) war Behn ein größerer Nazi als nach ´33. Er war tief enttäuscht, dass die Nazis ihm keine größeren Staatsaufträge gegeben haben“. Ohne seinen Mäzen, den ebenfalls rechtskonservativen Paul Reusch, wäre Fritz Behn, der übrigens eng mit dem Schriftsteller Oswald Spengler befreundet war, so Zellers Fazit, verhungert.
Werkstatt von Fritz Behn vor 1911
Fotograf: Unbekannt. In:Vaterstädtische Blätter; Jg. 1910, Nr. 51, Ausgabe vom 11. Dezember 1910, Wikipedia
Auch wenn Zeller keine konkreten Gründe für Behn´s Missachtung durch die Nationalsozialisten nannte, erinnerte er Wolfgang Hauck daran, dass der von manchen als genialer Tierplastiker geschätzte Künstler als ausgewiesener Monarchist und einer gewissen Nähe zu dem bayerischen Kronprinzen Rupprecht von dessen geplanten Staatsstreich gegen Hitler im Jahr 1932 wohl gewusst habe: „Er wollte die Wittelsbacher zurückhaben“. Behn habe politisch in seinem Kopf das „ganze Programm“ bedient: „Er war Rassist, Antisemit, ein Kolonialrassist, Monarchist, Faschist, ein Völkischer“. Auch wenn Behn stets darauf beharrte, Nationalsozialist gewesen zu sein, konnte Joachim Zeller in keinem Archiv eine verbriefte NSDAP-Mitgliedschaft ausmachen.
Nicht nur für die Landsberger Jugendlichen waren mit den Ergebnissen der Berliner Stippvisite von Wolfgang Hauck mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben, wie der sich nach diesen Recherchen herausschälenden Kernfrage: Wann ist Kunst Nazi-Kunst?
Brunnen mit Sperträger (auch „der Nackerte“ genannt)
im alten Inselbad in Landsberg. Foto Privat
In diesem Zusammenhang fiel allen Beteiligten wieder der „Nackerte“ ein, wie ihn der Zeitzeuge Walter Eichner, ehemaliger Landrat, in seiner Kindheit bezeichnet hatte. Der Speerwerfer stammt von einem Zeitgenossen Fritz Behns, dem Münchner Bildhauer Bernhard Bleeker. Der war nachweisbar Mitglied der NSDAP und hatte sich beinahe vernichtend über Fritz Behn in einem Gutachten für die Kunsthochschule Wien geäußert. Dorthin hatte man den streitbaren und um seine Existenz kämpfenden Behn 1939 mehr oder weniger endgültig auf das Abstellgleis geschoben. Bronze als Arbeitsmaterial hatten ihm die Nationalsozialisten – im Gegensatz zu anderen Künstlern – schon länger verwehrt.
Nicht nur für die Jugendlichen waren mit diesen neuesten Ergebnissen, der Stippvisite von Wolfgang Hauck nach Berlin inklusive, mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben. Wurde etwa auch der Panther abgeschoben, und wenn ja, warum, und woher kam er wirklich?
Der letzte Anruf vor Redaktionsschluss ließ alle aufhorchen. Nach 1945 soll er im Keller des Pfletschbräus, so der Anrufer Klaus Schmid aus Landsberg, „in Sicherheit“ gebracht worden sein.